Die Reise beginnt im Kopf – wie du die Mitarbeiterreise wirklich verstehst
- Sven Olef

- 3. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Die Employee Experience startet nicht am ersten Arbeitstag, sondern in dem Moment, in dem jemand zum ersten Mal deinen Namen hört. Noch bevor ein Bewerber auf „Jetzt bewerben“ klickt, beginnt eine Geschichte – deine Geschichte als Arbeitgeber. Und sie entscheidet sich an den kleinen, oft übersehenen Momenten: den Touchpoints, die Nähe oder Distanz schaffen, Vertrauen oder Misstrauen, Begeisterung oder Gleichgültigkeit.
Wenn du die Mitarbeiterreise – die Employee Journey – verstehen willst, musst du sie fühlen. Nicht als HR-Prozess, sondern als menschliche Erfahrung. Stell dir vor, du wärst selbst der Bewerber. Was siehst du? Was hörst du? Und vor allem: Was fühlst du?

1. Attraction – der erste Eindruck zählt
Alles beginnt mit einem Gefühl. Vielleicht ist es ein Social-Media-Post, ein Gespräch auf einer Messe oder eine Empfehlung durch Freunde. Dieser Moment, in dem jemand denkt: „Das klingt nach einem Unternehmen, in dem ich dazugehören möchte.“ – das ist der Ursprung jeder Employee Experience.
Unternehmen wie HubSpot oder Otto machen das vor: authentische Einblicke, echte Gesichter, keine Hochglanzfloskeln. Kein „Wir sind die Besten“, sondern ein ehrliches „So sind wir wirklich“. Das zieht Menschen an, die wirklich passen – und schreckt ab, wer nicht dazu gehört. Genau das ist gute EX: ehrlich, nicht perfekt.
2. Recruitment – der erste Dialog
Hier trennt sich Rhetorik von Realität. Bewerbungsprozesse sind die Datingphase zwischen Mensch und Unternehmen. Zu lang, zu unpersönlich, zu bürokratisch – und die Liebe erlischt, bevor sie beginnt. Studien zeigen, dass 83 % der Bewerber abspringen, wenn der Prozess zu kompliziert oder intransparent ist.
EX heißt hier: Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn du Bewerber in Echtzeit informierst, Feedback gibst und ihnen das Gefühl vermittelst, dass sie mehr sind als ein Datensatz im ATS-System, schaffst du den ersten emotionalen Anker.
3. Onboarding – das Herzstück der Reise
Die ersten 90 Tage entscheiden, ob jemand bleibt oder innerlich kündigt. Ein strukturierter Onboarding-Prozess ist kein Luxus, sondern Überlebensstrategie. Tools wie Notion, Microsoft Viva Engage oder Leapsome helfen, Wissen und Kultur greifbar zu machen.
Doch das wichtigste Tool bleibt der Mensch. Ein Mentor, der dich am ersten Tag abholt, kann mehr bewirken als jedes digitale Handbuch. Erinnerst du dich an deinen ersten Tag im Job? Ob du willkommen warst oder überfordert – genau das bleibt hängen.
4. Development – Wachstum als Haltung
EX lebt vom Fortschritt. Von Möglichkeiten, sich zu entfalten, Neues zu lernen, zu scheitern und wieder aufzustehen. Weiterbildung ist heute kein Benefit mehr, sondern eine Bedingung.
Unternehmen wie Google haben erkannt, dass Lernen Kultur ist. 20 % der Arbeitszeit dürfen Mitarbeitende dort in eigene Projekte investieren. Das erzeugt Ownership – und das Gefühl, dass man zählt.
Wenn du willst, dass deine Mitarbeitenden wachsen, musst du Räume schaffen, in denen sie neugierig bleiben dürfen.
5. Retention – bleiben heißt dazugehören
Menschen bleiben nicht wegen Geld. Sie bleiben, weil sie sich gesehen fühlen. Eine Kultur, die Sinn, Autonomie und Balance ermöglicht, ist die beste Versicherung gegen Fluktuation.
Kleine Gesten zählen: ein ehrliches „Danke“, ein transparentes Gespräch über Entwicklung, ein Arbeitstag, der Raum zum Atmen lässt. Unternehmen mit hoher emotionaler Bindung verzeichnen laut Gallup bis zu 43 % weniger Fehlzeiten.
6. Exit – der letzte Eindruck bleibt
Auch der Abschied gehört zur Employee Journey. Ein respektvolles Offboarding ist kein bürokratisches Ritual, sondern eine Frage der Haltung. Ein gutes Exit-Gespräch kann Türen offenhalten – für Feedback, für Re-Hiring, für ehrliche Erkenntnisse.
Jede Trennung ist ein Spiegel der Kultur: Wer respektvoll verabschiedet, gewinnt Botschafter, keine Gegner.
7. Alumni – das Echo der Erfahrung
Ehemalige Mitarbeitende sind wie Wellen, die weiter rollen. Sie erzählen von dir – in Netzwerken, bei Freunden, vielleicht sogar in Podcasts. Wenn du sie gut behandelst, tragen sie deine Marke weiter, authentischer als jede Kampagne.
Einige Unternehmen wie Deloitte oder Accenture pflegen eigene Alumni-Plattformen. Sie wissen: Menschen, die einmal überzeugt waren, kommen oft zurück – reifer, erfahrener, loyaler.
Die Macht der Touchpoints
Jeder dieser Berührungspunkte ist ein Moment der Wahrheit. Ein Moment that Matters. Sie entscheiden über Engagement, Motivation und Loyalität. Sie formen, wie dein Unternehmen wahrgenommen wird – innen wie außen.
Tools wie Journey Mapping helfen, diese Reise sichtbar zu machen: vom ersten Eindruck bis zum letzten Kontakt. EX-Plattformen und Pulsbefragungen liefern Daten, aber die eigentliche Kunst besteht darin, sie zu verstehen – mit Empathie statt Excel.
Die Employee Journey ist kein Prozessdiagramm. Sie ist eine lebendige, emotionale Bewegung – individuell, widersprüchlich, manchmal chaotisch. Sie erzählt, wie Menschen dein Unternehmen erleben, nicht wie du es planst.
Wenn du sie begreifst, kannst du sie gestalten. Und wer sie gestaltet, verändert mehr als die Kultur – er verändert das Denken über Arbeit selbst.
Denn am Ende geht es nicht darum, Menschen zu halten. Es geht darum, sie zu berühren.


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