Nach uns die Sintflut – Der Generationenvertrag als Märchen aus besseren Zeiten
- Sven Olef
- 24. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Es war einmal ein Vertrag. Kein echter, kein notariell beglaubigter, aber ein moralisches Versprechen: Die Jungen zahlen die Renten der Alten, und die Alten hinterlassen den Jungen ein Land, in dem es sich zu leben lohnt. Funktionierende Demokratie, intakte Umwelt, gute Bildung, solide Infrastruktur. Kurz: Ein bisschen Wohlstand, ein bisschen Würde. Doch dieses Versprechen ist gebrochen. Und zwar nicht leise, sondern mit Anlauf und Kettensäge.
Marcel Fratzscher bringt es auf den Punkt: Die Babyboomer – jene Generation, die sich gerne als Rückgrat der Republik inszeniert – haben nicht nur geschuftet, sondern auch schamlos profitiert. Sie haben früh Rente kassiert, lang gelebt, dreimal mehr Rente bekommen als ihre Eltern und dabei großzügig vergessen, dass da auch noch jemand nach ihnen kommt. Nämlich unsere Kinder und Enkel.

Der neue Generationenvertrag: Zahle, schweige, funktioniere.
Während Oma und Opa sich mit Bundeszuschuss in die Thermen retten, zahlen zwei Beschäftigte mittlerweile die Rente eines Einzelnen. Tendenz: abwärts. Das ist keine Solidargemeinschaft, das ist ein Schneeballsystem mit Altersbonus. Und wenn du denkst, das sei schon absurd, warte, bis du erfährst, dass der Staat mit Rentenpaketen weiter fröhlich Schulden macht – nicht für Schulen, nicht für Zukunft, sondern für konsumtive Wahlgeschenke.
Die implizite Staatsschuld liegt laut Stiftung Marktwirtschaft bei 374 Prozent des BIP. Und während die politische Klasse sich fragt, ob es “gute” oder “schlechte” Schulden sind, wächst bei unseren Kindern das Gefühl, für etwas zur Kasse gebeten zu werden, das sie nie bestellt haben.
Gen Z: Faul, verwöhnt, psychisch krank?
Und weil es noch nicht reicht, bekommen die Jungen auch noch das Label der “arbeitsscheuen Generation Z”. Klar – sie mit ihren multiplen Jobs, Mieten, Krisen, Klimaangst und Depressionen. 39 Prozent der 18- bis 24-Jährigen kämpfen laut AXA Mind Health Report mit Angststörungen oder Depressionen. Aber hey – vielleicht hilft ja ein Karriere-Coach mit LinkedIn-Zertifikat und 20K Followern.
Die Wahrheit ist: Diese Generation kämpft – aber nicht gegen Arbeit, sondern gegen ein System, das Leistung predigt und Ausbeutung praktiziert. Pflege? Mangelberuf. MINT? Unterbezahlt. Ausbildung? 682 Euro im Monat. Und dann kommt Friedrich Merz und erklärt ihnen, sie sollen sich ein Beispiel an der “Aktivrente” nehmen. Aktivrente klingt wie Powernap auf Speed – ist aber nur neoliberales Wunschdenken im Rentenkostüm.
Bildung – der große Witz mit dem traurigen Abgang
Das Bildungssystem? Ein schlechter Scherz mit PISA-Zertifikat. Sechs Prozent der Schüler*innen verlassen die Schule ohne Abschluss, und wer doch durchkommt, darf sich in einem Bewerbungs-Dschungel beweisen, dessen Eingangstor nicht das Können, sondern der soziale Background entscheidet. Eine Ausbildung? Gibt’s – mit Mindestvergütung und maximaler Demütigung.
Wohlstand, aber bitte nur für gestern
Der alte Wohlstandstraum: Bausparvertrag, Reihenhaus, Diesel und Dauerkarte beim FSV Mainz 05. Der Wohlstandstraum unserer Jugend: Atemluft, psychische Stabilität und ein Job mit Bedeutung. Fratzscher fordert einen neuen Begriff von Wohlstand: Teilhabe, Nachhaltigkeit, sozialer Frieden. Klingt gut. Klingt logisch. Klingt, als würde es scheitern.
Denn dieselbe Generation, die das Bruttosozialprodukt zum Fetisch erhoben hat, redet heute von “Eigenverantwortung” und “Leistung” – und zwar zu einer Generation, die sie selbst um eben diese Grundlagen betrogen hat. Der Rentenschock ist kein Betriebsunfall. Er ist das Ergebnis jahrzehntelanger Selbstbedienung, politischer Feigheit und einer Wohlfühlideologie, die jetzt in sich zusammenbricht.
Was bleibt?
Ein kaputter Generationenvertrag, ein Bildungssystem auf Sinkflug, eine Umwelt auf der Intensivstation, ein Arbeitsmarkt, der sich auf Teambuilding-Seminare mehr versteht als auf Gerechtigkeit. Und eine Generation, die all das aufräumen soll – mit einem Lächeln im Gesicht und einem Mietvertrag über 1300 Euro für eine Einzimmerwohnung in Buxtehude.
Ob wir das schaffen? Vielleicht. Aber nur, wenn wir aufhören, den Wohlstand der Vergangenheit zu romantisieren – und anfangen, über eine Zukunft zu sprechen, die diesen Namen verdient.
Nach uns die Zukunft. Aber erst mal: Nach euch die Rechnung liebe Babyboomer.
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